Eine 80er-Jahre-Karriere I – Happy Computer. Teil 2 von 3

Eine 80er-Jahre-Karriere I – Happy Computer. Teil 2 von 3

 

 


Wie das bei einer mehrteiligen Text-Reihe so ist: Gut, wenn man weiß, was bisher geschehen ist. Teil Eins ist hier zu finden. Und jetzt geht´s weiter…

In den kommenden Monaten entstehen in meinem Zimmer etliche, mehr oder weniger erlebenswerte Gehversuche. Versionen von “Snake” und “Centipede” für den Heimbedarf. Gameplay auf Basis einfachster Konzepte. Freunde müssen Probe spielen und sind gnädig in ihrem Urteil. Entweder das, oder sie haben “Zaxxon” noch nie gesehen, ich weiß es nicht. 

Ein Listing. Früher haben
Menschen solche Texte

abgetippt und danach geflucht,
weil das Programm wegen
Druckfehlern nicht lief.

Jedenfalls machen sie mir Mut. Und so folgt Anfang 1986 der erste, in barer Münze messbare Erfolg. Ich habe ein einfaches Software-Werkzeug namens “Shape 64” entwickelt. Mit Hilfe dieses kleinen Tools ist es ein leichtes, auf dem C64 Fenster und Grafikflächen zu erzeugen und zu verschieben. Schluss mit den Print-, Poke- und Peek-Orgien, nur um den Bildschirm mit Farbe zu füllen. 

 

Ich nehme meinen Mut zusammen, kopiere das Tool auf eine Diskette und schicke es an meine Helden, an die Redaktion der  “64´er”: Ein Magazin, zu seiner großen Zeit so führend wie eine Fachzeitschrift nur sein kann. Was mich an dieser Zeitschrift fasziniert, das lässt sich heute schwer erklären. Aber damals haben es eben viele Heimcomputer-Besitzer als Lust empfunden, seitenweise Programmcode-Listen – sogenannte Listings – zu wälzen und abzutippen. Ich auch. So lerne ich begreifen, wie andere Programmierer denken, mit welchen Kniffen sie arbeiten, welche Tricks sie kennen. 

Doch, sogar so eine
Zahlenwüste
haben die Leute
Mitte der 80er-Jahre
bereitwillig abgetippt.

Ein Magazin von Könnern für Könner. Und hurra, ich war jetzt einer von ihnen: “Shape 64” wurde als Listing in der März-Ausgabe veröffentlicht. Habe ich 100 oder 200 Mark dafür bekommen? Keine Ahnung. Für einen Schüler von 15 Jahren in jedem Fall eine stolze Summe. 

Allerdings kein Vergleich mit dem, was ein paar Monate später passieren würde. Irgendwann im Frühjahr 1986 schicke ich eine erste Version von einem Projekt namens “Let´s Bounce” nach München. Adressat: Die Schwesterzeitschrift der 64´er, die “Happy Computer”. Habe damals jede Ausgabe des Magazins verschlungen. Weil der Horizont der Redaktion über den C64 hinausging. Weil ich durch das Schmökern in der Happy Computer viel mehr von dem mitkriege, was auf anderen Heimcomputern – heute würde es heißen:  Hardware-Plattformen – möglich ist. Außerdem war die Redaktion verspielter. Ich rechne mir bessere Chancen als bei der anwenderorientierten 64´er, mit spielbarer Software “Listing des Monats” zu werden. 

Das original Bounder von Chris Shrigley,
Terry Lloyd, Rob Toone and Andy Green.
Schönes Game, flippige Musik.
(Quelle: Mobygames)

Listing des Monats, das ist die Krönung für jeden Freizeit-Programmierer. Nicht bloß, weil es diese Auszeichnung nur zwölfmal im Jahr gibt. Sie ist außerdem mit 3000 Mark dotiert, also richtig viel Geld. Und “Let´s Bounce” gefällt der Redaktion offenbar. Es muss so März oder April gewesen sein, als das Telefon klingelt. Es meldet sich ein Jürgen Zumbach von der Redaktion der Happy Computer. Ich kann mich noch gut an die Gefühlschaos damals erinnern. Ein Redakteur ruft mich an? Der Satz  “Wir würden Dein Spiel gerne als Listings Monats veröffentlichen” geht im Rausch der Sinne unter. Dabei ist das Spiel nur ein dreister Abstich des großartigen Geschicklichkeitstest “Bounder” aus dem Hause Gremlin Graphics. Hier wie dort lotst der Spieler einen fleißig hüpfenden Flummi über ein Labyrinth aus Plattformen, die hoch oben in der Luft schweben und sich stetig von oben nach unten bewegen. 

 
Mein Bounder-Klon namens Let´s Bounce. Nicht
ganz so schön wie das Original, keine flippige 
Musik.Dafür bockschwer. Naja. 

Weit, weit unten zieht der Grund gemächlich dahin. Die Löcher in der Schwebe-Ebene nehmen zu, das Tempo ebenfalls. So entsteht Zeitdruck, die Gefahr eines  Fehlsprungs wächst. Man muss die Struktur des Labyrinths auswendig lernen, oft genug endet der arme Flummi dennoch unverschuldet im Abgrund. Aber damals bin ich als Gamer hart im nehmen. Bereit, für den Erfolg zu kämpfen. Ich empfinde “Bounder” als simpel und motivierend, verliebe mich in die flippige Musik und die technische Umsetzung. Was Ähnliches machen, das wär´s doch. Nur halt alles etwas einfacher – immerhin muss ein Listing des Monats kompakt sein, damit die Leser es abtippen können. Grafik, Sound, Code, alles wird so klein und knapp gepresst wie nur irgend möglich. 

Die Textreihe “Eine 80er-Jahre Karriere” besteht aus drei Kapiteln, die in aufeinanderfolgenden Ausgaben des Retro Magazin veröffentlicht werden. Für meinen Blog hab ich Kapitel Eins in drei Unterkapitel gesplittet. Die Termine – Teil Eins: 20. März 2012, Teil Zwei: 23. März 2012, Teil 3: 27. März 2012.  
Bitte, wenn Du magst was du liest: Sag es weiter. Klicke im Facebook-Link auf Gefällt mir für die Hauptseite und für den Artikel. Und teile die Seite mit Deinen Freunden. Du willst über neue Beiträge informiert werden? Hier klicken, auf dem folgenden Bildschirm rechts oben auf “Follow”.
 
2012-03-23T16:00:00+01:00

Über mich

Spieleschreiber, das sind im Wesentlichen ich – Richard Löwenstein – und freie Kollegen, mit denen ich auftragsbezogen zusammenarbeite. Ich bewege mich seit 1984 in der Software-, Games- und Medienindustrie. Das Wort Spieleschreiber (“gamesauthor”) bezieht sich auf  die Tatsache, dass ich über Computerspiele schreibe und sie außerdem entwickle und produziere

Meine Arbeiten

Aktuelles