Ferrari Fahren: Realität vs. Rennspiel

Ferrari Fahren: Realität vs. Rennspiel



Was fährt sich krasser: Ein Ferrari draußen auf der Straße, oder einer im Videospiel? Macht die Rennsimulation “Test Drive Ferrari Racing Legends” Träume wahr? 

Wenn Sie ihren Blick bitte kurz auf die roten
Bildbereiche konzentrieren? Sie zeigen einen
Ferrari 458 Italia. Er dient mir als Grundlage
für den Realitätscheck Straße vs. Videospiel.
 

Kickt die Fahrt damit genauso wie in einem echten Sportwagen? Ich durfte das neulich ausprobieren. Der Videospiel-Vertrieb Big Ben hatte in München zehn feuerrote Spielmobile aus Maranello zusammen getrommelt – und ließ einige Journalisten und Handelspartner damit eine Runde drehen. Ferrari fahren: einmal draußen auf den Straßen rund um München, danach im Videospiel. Na, mal sehen. 





Einen solchen Ferrari-Aufmarsch
erlebt selbst das reiche München
nicht oft. Mit 10 Ferraris drehen
meine Journalistenkollegen und ich
 eine Runde durch´s Münchner Umland. 

Am Tag der Veranstaltung flitze ich erstmal mit meinem Drahtesel ins Isartal runter, quere die Wittelsbacherbrücke, nähere mich der Aral-Tankstelle an der Kapuzinerstraße. Hier müsste er irgendwo sein, unser Treffpunkt. Ich suche nach der Hausnummer 39. Aber was ich finden möchte, lässt sich nicht übersehen: Auf dem Fußweg parkt eines der schönsten Autos, die ich je gesehen habe. Dass es sich um den Ferrari-Typ 458 Italia handelt, lerne ich später. Für´s erste bin vom Meer aus glutroter Farbe geblendet. Denn gleich über die Straße stehen mehr Ferraris geparkt als bei dem Luxus-Autodealer draußen in Grünwald. 


Segas Outrun. Eines der ersten
und tollsten Videospiele
mit Ferrari-Power.

Bin nicht so firm mit den Schöpfungen aus dem italienischen Maranello, aber ein paar Typen erkenne ich doch: 
599 Fiorano, 360 Challenge, Testarossa. Ich denke kurz zurück an die tollen Zeiten, die ich mit Ferraris im Videospiel schon hatte. Denke an “Outrun” in der Spielhalle, und an “F355 Challenge: Passione Rossa” auf Segas Dreamcast. Ein Auto und ein paar Kilometer Asphalt haben gereicht für unendliche Leidenschaft. Bin bis heute ein Riesenfan beider Spiele. Dass ich aber jetzt gleich einen echten Ferrari zähmen darf, das ist mir in dem Moment nicht bewusst. 

Für mich die beste Rennsimulation feat. Ferrari:
F355 Challenge auf Segas Dreamcast-Konsole.
Vielen Dank ans Armchair Empire für´s Bild. 
Kommt mir eher vor, als würde ich durch eine rassige Autoshow spazieren. 

Vielen Passanten geht´s scheinbar ähnlich. Kleines Mädchen, dicker Bauarbeiter, überall große Augen, großes Stauen, lächelnde Blicke. Schön zu sehen, dass diese Autos durch bloße Anwesenheit bei so vielen Menschen Glück stiften. 

Erstmal ein bisschen plaudern und Hände schütteln, ein paar Kollegen begrüßen. Ich lasse mir das Spiel erklären, dem ich die Einladung zu dieser Veranstaltung verdanke: “Test Drive Ferrari Racing Legends”. Spielen werde ich später. Erstmal wechsle ich mit Simon ein paar Sätze. Simon ist der Chef vom Autoverleih Ferrarifun, ihm gehören also all diese Flitzer. Er führt mich zur modernsten Errungenschaft aus Maranello: eben jener Ferrari 458 Italia, den ich vorhin beinahe mit der Zunge abgeschleckt hätte. 570 PS, 325 km/h Spitze, 3.3 Sekunden auf 100, Doppelkupplung und F1-Schaltung. Damit schlägt das Teil so ziemlich alles andere im Autoquartett. “Deiner”, sagt Simon. “Wir fahren jetzt”. 

Anderthalb Stunden lang darf ich dem 458 die Sporen geben. 

Nur kein Sozialneid. Ich musste das Auto nach
anderthalb Stunden wieder abgeben. Gut so.
Könnte mir nichtmal den Tausch der Kupplung 

leisten, die ich laut Chefverleiher durch 
meine Fahrweise ruiniere. 

Aber erstmal muss ich mich und mein Ross schwer zügeln. Denn wir fahren Kolonne. Zehn Ferrari hintereinander, ich vorneweg. Darf nicht zu krass beschleunigen, sonst verlieren die hinteren den Anschluss. Viele der Mitfahrer kommen nicht aus München. Navi oder Karte oder Routenplan hat niemand mitbekommen. Wer verloren geht, würde im Fall des Falles wohl nur schwer zum Ausgangspunkt zurückfinden. Meine Güte, warum startet die Kolonne im Münchner Zentrum statt außerhalb? Jede Kreuzung gerät zur Zitterpartie. Ich versuche die Rotetappen der Ampeln zu erwischen, damit ich stehen bleibe und die Hinteren dranbleiben. Damit bei Grün die Chance besteht, dass wir alle über die Kreuzung rutschen. Klappt fast immer, nur ein- oder zweimal nicht. Dann krieche ich mit 30 Sachen durch den Verkehr, halte uns und andere auf, bis das Schlusslicht wieder Anschluss findet. Ich spanne die Muskeln an. Echt schwer, so einen Gaul unterm Hintern zu haben und ihn nicht galoppieren lassen zu dürfen. 


So ein Ferrari ist einfach schön.
Auch von vorne unten.
Ich steuere den Mittleren Ring an. Der 458 soll raus der quälend engen Stadt, hinaus in sein Jagdrevier, auf die freie Autobahn und die kurvige Landstraße. Erst hier lässt sich beurteilen, wie sich so ein Geschoss anfühlt. Ob es kickt, wenn man das Gaspedal durchtritt. Ob es mir die Ohren wegfetzt, wenn ich das V8-Aggregat in der Unterführung bellen lasse. Beides ist der Fall. Dieser Ferrari ist unbarmherzig, nichts für schwache Nerven. Ein Lustmacher. Keine noch so aufwändige Rennspiel-Simulation kann die nervös schwitzende Hände beim Einsteigen ersetzen, oder die leuchtenden Augen beim Betasten der Armaturen.  Und schon gar nicht den herrlichen Tritt ins Kreuz, den ich beim Durchdrücken des Gaspedals abbekomme. 

Bei der  Probefahrt mit dem Spiel
hat mich die Fahrt im  Formel 1
 am meisten gerissen. Der Kreisch-
Sound macht mir Gänsehaut.
Meine Nachbarn werden leiden.
Großartiges Erlebnis. Schade, dass ich das Auto nach anderthalb Stunden wieder abstellen muss. Hoffe, dass ich das irgendwann nochmal wiederholen darf. Dann ohne die Zügel der Kolonne. Bis dahin muss mir wohl oder übel “Ferrari Racing Legends” reichen. Warum nicht. Immerhin, ich spiel´s zwei Stunden zur Probe und bin überrascht: Hab vorher noch nie von dem Spiel gehört, dabei ist´s fast fertig entwickelt und soll Anfang Juni erscheinen.

In so einem Fall vermute ich ja gerne einen “leisen Furz”: Ein Stinkergame, das der Hersteller unauffällig unters Volk bringen möchte. Aber “Ferrari Racing Legends” macht auf mich einen guten Eindruck. Sieht nach einer gelungenen Simulation aus. Konventionelle Spielstruktur, aber hübsch anzuschauen und mit toller Steuerung. Vor allem die Drifts haben es mir angetan. Das fühlt sich kontrollierbar an, gefühlvoll. Der tolle Sound geht mir fast so sehr durch Mark und Bein wie vorhin im 458er, im Tunnel auf der Tegernseer Landstraße.

Was ich mag
Die Schöpfer von den Slightly Mad Studios wissen, was ein gutes Rennspiel haben muss. Man merkt´s an vielen Details: Herausfordernde Steuerung, prima Rückspiegel, Neustarts klappen ohne Ladepause, die Fahrzeug-Modelle fesseln den Blick. Toll auch die dynamische, wirklich fahrenswerte Cockpitperspektive. 

Und was weniger
Der Benutzeroberfläche würde ich deutlich mehr edle Dynamik wünschen, die wirkt fade wie ein Dacia Logan in mausgrau. Dass ich keine Wettrennen auf dem Splitscreen fahren, und keine Ghostfahrten speichern und mit Kumpels tauschen darf, finde ich doof. Der Bildaufbau mit nur 30 fps stört mich bei diesem Spiel weniger als sonst oft.

Bei historischen Rennen ahmen
Sepia-Farbtöne alterndes Filmmaterial nach.
Im Anschluss an die erste Kamerafahrt färbt
 sich das Bild langsam bunt. Hübsche Idee.

Fazit

Was mag wohl den Marketing-Entscheider geritten haben, dass er dem Game den Titel “Test Drive” aufzwingt? Muss derselbe Typ sein, der “Unbounded” das “Ridge Racer”-Etikett umgehängt hat. Klare Irreführung. Da denkt doch jeder gleich an Online-Spazierfahrten wie bei den letzten “Test Drive Unlimited”-Games. Aber das hier ist Motorsport und Vollgas-Rausch. Sicher kein ganz so geiles Erlebnis wie ein echter Ferrari 458. Aber näher dran als gedacht. 

Wer mehr über das Spiel wissen will; oder darüber, was ich am Ferrari 458 sonst noch mag, dem darf ich meinen Vers auf T-Online ans Herz legen. Ach, und ein kleines Video hätte ich außerdem noch gedreht. Den offiziellen Gameplay-Trailer gibt´s hier. Kann ich empfehlen, weil sich die 16-Minuten-Schau allzu dramatische Kamerafahrten spart und stattdessen das Racing ungeschönt zeigt. Genau so wie im Trailer habe ich das auch gesehen.

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2012-04-10T10:30:00+02:00

Über mich

Spieleschreiber, das sind im Wesentlichen ich – Richard Löwenstein – und freie Kollegen, mit denen ich auftragsbezogen zusammenarbeite. Ich bewege mich seit 1984 in der Software-, Games- und Medienindustrie. Das Wort Spieleschreiber (“gamesauthor”) bezieht sich auf  die Tatsache, dass ich über Computerspiele schreibe und sie außerdem entwickle und produziere

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