Eine 80er-Jahre-Karriere II – Twinky goes hiking 3/4

Eine 80er-Jahre-Karriere II – Twinky goes hiking 3/4

 

Wie das bei einer mehrteiligen Textreihe so ist: Gut wenn man weiß was bisher geschehen ist. Teil Eins ist hier zu finden, Teil Zwei hier. Und jetzt geht´s weiter…

 

Mit den ersten sichtbaren Zeichen eines Splitscreen-Scrolling ist aber auch ein Wendepunkt erreicht. Es ist jetzt an der Zeit, dass weitere Gedanken folgen: Wohin muss ich diese Technik entwickeln, damit die Menschen draußen auf der Straße sie unterhaltsam finden? Die Inspiration kommt aus unvermuteter Richtung. Nämlich aus den Alpen, die sich mir ich als München-Perlacher jeden Tag vor der Nase aufbauen. Ein Kumpel bringt mich auf den Gedanken: Warum nicht einen Helden den Hang rauflaufen lassen, im Wettlauf mit einem anderen? Beiden Figuren purzeln Geröll und Vögel entgegen, sie müssen über Schluchten hüpfen und sich unter Stalaktiten ducken.

 

twinky02Ich erinnere mich dunkel an ein Atari-Game namens “Matterhorn”. Ja, so ungefähr könnte das aussehen. Wer den Geschicklichkeitsparcours meistert, alle Hindernisse überhüpft und den Gipfel erreicht, kriegt von der hübschen Twinka ein Herz zugeworfen. In den kommenden Wochen entstehen Hunderte Skizzen auf Karopapier. Heldenfiguren werden ent- und verworfen; Wälder und Felsen Pixel für Pixel per Hand vom Papier in den Speicher digitalisiert. Ich hacke mit einem sogenannten Speicher-Monitor jedes Byte auf die harte Tour in das RAM des Commodore 64. Eine Mischung aus Maschinensprache-Logik und Zufallsgenerator bringt Landschaften hervor, die sich bei jedem Start einer Partie ein bisschen verändern; das sollte auch trainierte Spieler langfristig herausfordern. Eine Mini-KI in drei Könnens-Stufen übernimmt die Kontrolle über die zweite Heldenfigur, wenn man mal keinen zu Schlagenden zur Hand hat.

 

Steuerung, Musik, Titelbild, alles entsteht in Handarbeit. Tage, Wochen, Monate gehen drauf. Die klassische Schulausbildung leidet darunter. Mein Notenschnitt sinkt, gelegentlich schwänze ich in Chemie und mehr. Meine Eltern führen das eine oder andere Gespräch mit mir, aber mich umstimmen, das gelingt ihnen nicht. Vorerst motivieren mich keine Zeugnisnoten, sondern die Disks mit der 5 1/4-Zoll-Schlabberdisketten mit der Aufschrift “Twinky goes Hiking”, Twinky geht wandern. Der Name leitet sich aus der Schülerzeitung “Quinky” ab. Im zarten Alter von zwölf Jahren habe ich “Quinky” auf der Schreibmaschine getippt, bei meinem Vater in der Arbeit kopiert und danach unter meinen Mitschülern verteilt.

Ein halbes Dutzend Disks mit Spielcode verschicke ich im Sommer 1986 an mehrere Spielhersteller. Irgendwo da draußen, hoffe ich, findet vielleicht jemand meine Arbeit ordentlich genug und bringt sie unter die Leute. Damals entstehen hunderte Spiele in Heimarbeit auf genau auf diese Weise. Darin sehe ich meine Chance. Eine Disk geht nach Rietberg nahe Gütersloh, zu einem Empfänger namens Ariolasoft – alle weiteren sende ich an Spielehersteller in England, zu Adressaten wie Elite, Mastertronic, Gremlin. Ich zeige wenig Scheu vor großen Namen.

Soviel für diesmal, weiter geht´s in Teil Vier. Darin dann: Post aus England, und wie mir erste Verkaufsberichte beinahe das Herz sprengen. Wer solange nicht warten mag, rennt zum Kiosk und holt sich die neue Ausgabe des Retro Magazin. Inklusive dem kompletten Text. Ganz oldschool auf Papier.

Die Textreihe “Eine 80er-Jahre Karriere” besteht aus drei Kapiteln, die in aufeinanderfolgenden Ausgaben des Retro Magazin veröffentlicht wurden. Für meinen Blog hab ich Kapitel Zwei über Twinky in vier Unterkapitel gesplittet. 


2012-07-02T10:00:00+02:00

Über mich

Spieleschreiber, das sind im Wesentlichen ich – Richard Löwenstein – und freie Kollegen, mit denen ich auftragsbezogen zusammenarbeite. Ich bewege mich seit 1984 in der Software-, Games- und Medienindustrie. Das Wort Spieleschreiber (“gamesauthor”) bezieht sich auf  die Tatsache, dass ich über Computerspiele schreibe und sie außerdem entwickle und produziere

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