Eine 80er-Jahre-Karriere I – Happy Computer. Teil 3 von 3

Eine 80er-Jahre-Karriere I – Happy Computer. Teil 3 von 3


Wie das bei einer mehrteiligen Text-Reihe so ist: Gut, wenn man weiß, was bisher geschehen ist. Teil Ein ist hier, und Teil Zwei hier zu finden. Und jetzt geht´s weiter…


Das grobe Code-Gerüst für “Let´s Bounce” besteht aus Elementen der langsamen, dafür leicht zu begreifenden Programmiersprache Basic. Spritesteuerung, Kollissionsabfrage und andere, zeitkritische Aufgaben sind an schnelle, aber aufwändig zu entwickelnde Assembler-Routinen delegiert und laufen parallel zum Basic-Programm. Dass merkt zum Beispiel, wer die Run/Stop-Taste tippt. Dann stoppt das Basic-Programm mit einer Fehlermeldung; aber die Rasterinterrupts und der daran aufgehängte Bildaufbau samt Scrolling arbeiten weiter. Ein Bug. Profis würden das eleganter lösen, schon klar. Aber das Ganze sitzt, läuft und hat Luft, im Großen und Ganzen. 

 
Jeder einzelne bunte Bildpunkt ist auf Karopapier
entstanden, und von Hand in den C64
übertragen worden. Mitte der 80er-Jahre
gab´s noch keine tollen Tools. 

Es steckt allerdings ordentlich Arbeit dahinter. Die Grafik entsteht auf Karopapier. Per Bleistift und Lineal stecke ich acht mal acht Karos auf dem Papier ab. Jedes der so entstehenden Felder entspricht der Größe eines “Charakters” – eines Zeichensatz-Elements auf dem C64. Tausend solcher Charakter − kurz: Chars – ergeben zusammen das Bild, das auf dem Monitor bzw. dem Fernseher zu sehen ist. Punkt für Punkt male ich X-Symbole in einige Karos, lasse andere frei. So wachsen Plattformen heran; Monster werden erschaffen; das Heldenflummi entsteht. X für X übertrage ich vom Karopapier als Hexadezimal-Zahlencode in den C64. Grafik wird geboren. 

 
Im englischen Retro-Gamer-Magazin
Ausgabe 24 heißt´s,
die Bounder-Entwickler haben die
Parallax-Grafikidee vom Spielautomaten

 ExedExes geklaut haben. Hab
das Ding nie gesehen. Aber
Ähnlichkeiten sind tatsächlich
vorhanden. (Quelle: Mobygames)

Stolz bin ich auf das Parallaxscrolling in zwei Vollbild-Ebenen: Eine Illusion von räumlicher Tiefe, die zu der Zeit vielleicht ein paar tolle Spielautomaten beherrschen, der C64 aber eigentlich nicht. Mit einem Trick klappt´s doch: Veränderung des Char-Zeichensatz. Einige Chars werden entgegen der Scrollrichtung in sich gerollt. Wenn das synchron zum Hardware-Scrolling passiert, aber in entgegengesetzter Richtung: Dann entsteht der Eindruck, die “manipulierten” Chars fließen mit geringerem Tempo über den Bildschirm als die statischen Pendants. Es wirkt, als schwebten Plattformen über Grund. Als dass Parallaxscrolling das erste Mal funktioniert, starre ich gebannt auf den Bildschirm. Nicht schlecht für ein Listing-Spiel. 

 
Dass ich mich mit Heimarbeit keineswegs allein herumschlage; sondern dass auf diese Weise auch etliche professionelle Spiele entstehen, das ahne ich zu der Zeit nicht. Ich erfahre das erst Jahre danach, als ich in einem späteren Berufsleben Videospiel-Messen besuche und mit Programmierern aus aller Welt in Kontakt komme. Mitte der 80er-Jahre aber kochen etliche Entwickler in Deutschland, England und Lummerland mit genau demselben Wasser wie ich, arbeiten mit denselben Mitteln, alles auf eigene Faust. Konzept, Code,  Grafik, Sound und all die anderen Puzzlestücke, die zusammengesetzt ein Spiel ergeben: All das entsteht damals das oft in Ein-Mann-Garagen, überall auf der Welt. Ich war jetzt ein Teil davon. 

Die Textreihe “Eine 80er-Jahre Karriere” besteht aus drei Kapiteln, die in aufeinanderfolgenden Ausgaben des Retro Magazin veröffentlicht werden. Für meinen Blog hab ich Kapitel Eins in drei Unterkapitel gesplittet. 

2012-03-27T15:00:00+02:00

Über mich

Spieleschreiber, das sind im Wesentlichen ich – Richard Löwenstein – und freie Kollegen, mit denen ich auftragsbezogen zusammenarbeite. Ich bewege mich seit 1984 in der Software-, Games- und Medienindustrie. Das Wort Spieleschreiber (“gamesauthor”) bezieht sich auf  die Tatsache, dass ich über Computerspiele schreibe und sie außerdem entwickle und produziere

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